Bei der Vögeles Mühle handelt es sich um eine der noch erhaltenen 40 von ehemals 1400 Bauernmühlen im Schwarzwald. Bauernmühlen entstanden aus der Gegebenheit heraus, dass eine Fahrt ins Dorf zur Kundenmühle, wo man Getreide mahlen lassen konnte, früher ein Tagwerk war, da nur Pferde- oder Ochsenfuhrwerke zur Verfügung standen. Als um 1700 die ersten Mühlenbänne und -zwänge (=Verpflichtungen, in einer bestimmten, zum jeweiligen Herrschaftsgebiet gehörenden Mühlen mahlen zu lassen) gelockert wurden, konnten es sich einzelne Bauern, die über die entsprechenden Finanzmitteln verfügten, erstmals erlauben, selbst kleine Mühlen zu betreiben und damit ein großes Stück Unabhänigkeit zu erreichen. Eine Mühle zu besitzen, bedeutete nicht nur, dass der jeweilige Hof sein Getreide für das tägliche Brot oder Schrot für Viehfutter selbst herstellen konnte, sondern man besaß gewissermaßen ein kleines Kraftwerk: Mit Hilfe der Mühlen wurde auch Getreide zu Grütze gestampft, Sägen, Ölpressen, Schleif- und Schneidmaschinen bedient oder auch, wie es bei der Vögeles Mühle der Fall war, über eine Transmission die auf dem Hof befindlichen Dreschmaschinen angetrieben, solange man noch nicht an die öffentliche Stromversorgung angeschlossen war.
Die Blütezeit der Schwarwälder Bauernmühlen dauerte allerdings nur etwa von 1750 bis ca. 1900. Dann verloren sie an Bedeutung.

Die Gründe hierfür waren vielfältig:
1. Hoher Wartungs- und Erhaltungsaufwand: Die Wassergräben versandeten immer wieder und mussten regelmäßig ausgehoben werden, und auch die Lebensdauer der Holzwasserräder war auf 15-20 Jahre begrenzt, da sie nur im Bedarfsfall in Betrieb waren. Feuchtigkeit im Radschacht unten und starke Sonneneinstrahlung von oben konnten innerhalb eines Sommers zu irreparablen Beschädigungen führen: Das Rad verzog sich, es „verlecherte“ Welche Kosten mit dem Ersatz des Rades entstanden, lässt sich auch heute noch daran erkennen, dass selbst bei der Renovierung unserer Mühle die Kosten für das Rad trotz vieler Eigenleistung höher waren, als die Zimmermannskosten für die gesamte Fachwerks- und Dachkonstruktion.

2. Höhere Ansprüche an die Mehlqualität und an die Durchsatzmenge:
Jede Getreidesorte verlangt eine andere Einstellung der Mahlsteine. Mit den anderen Ansprüchen an die Sortenvielfalt selbst bei Viehfutter (Mischgetreide) kam man bei den Bauernmühlen schnell an die Grenze des Machbaren. Darüber hinaus tat die fortschreitende Technisierung und Elektrifizierung ein Übriges: Kleine, elektrische Schrotmühlen, die irgendwo in der Scheune Platzt fanden, ersetzten ein ganzes Mühlengebäude, und mehr Futter innerhalb einer kürzeren Zeit erhielt man obendrein.

Zur Vögeles Mühle selbst:
Erbaut wurde die V.M. 1835 (Jahreszahl war früher im Putz eingeritzt). In Betrieb war sie bis etwa Mitte der sechziger Jahre. Allerdings nur noch zur Herstellung von Schrot. Mit der Stilllegung setzte ein schneller Verfall des Gebäudes ein, zweifellos mitbedingt durch die große räumliche Entfernung zum Hofgebäude: Man achtete einfach nicht darauf, dass es jahrelang ins Gebäude hereinregnete oder, dass sich auch Rarietätenjäger durch die Defekte bedienten: Der Orginal-Kleienkotzer ziert vermutlich eine Wohnzimmerwand oder eine Kellerbar.
1989 begannen wir mit der Restaurierung. Dabei stellte sich heraus, dass zwar die technischen Einrichtungen, soweit vorhanden, in relativ gutem Zustand war, das Gebäude jedoch von Grund auf wieder neu errichtet werden musste. Landesdenkmalamt, Kreis und Gemeinde unterstützen die Aktion, so dass 1993 wieder eine funktionierende Mühle der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte.

Technisch erwähnenswert sind:
1. Das Holzwasserrad mit ca. 4m Durchmesser, 36 Schaufeln, von denen jede 26 Liter Wasser fassen kann.
2. Das Winkelgetriebe, das nur noch bei ganz wenigen Mühlen in Deutschland erhalten ist.
3. Die Sieb und Abreddervorrichtung: Im Mehlkasten befindet sich ein Schlauchsack aus reiner Seide. Nur Mühlen mit einem Schlauchsack haben auch einen Kleienkotzer. Der andere Typ Bauernmühlen besitzt im Innern eine drehbare, sechseckige Trommel, deren einzelne Felder mit Seide bespannt sind. Solche Mühlen sind nicht mit der dämonischen Schutzgeistmaske ausgestattet.
Unsere Mühle ist baugleich mit der auf den Vogtsbauernhöfen in Gutach im Freilichtmuseum, den anderen Typ findet man wiederaufgebaut in Oberharmesbach.
4. Die Mahlsteine: Über dem stehenden Stein befindet sich unter einer runden Holzzarge der 9 Zentner schwere Läuferstein, der sich mit max 140 Umdrehungen/Min drehen darf. Er ist zusätzlich mit einem Stahlband gesichert, um im Falle eines Springens der Steine ein Unglück durch die Zentrifugalkraft zu verhindern.
5. Das Kammrad: Es sitzt auf der gleichen Welle wie das Wasserrad und ist desshalb auch im Innern der Mühle ständig in Bewegung. Seine Zähne sind aus Holz, aus dem einfachen Grund, dass an einem Zahnrad in der Regel nur die Zähne kaputtgehen. Stahl war teuer und das Rad selbst ist so groß, dass man es im Fall einer Beschädigung nicht aus der Mühle hinausbekommt. Die Teile, die einem natürlichen Verschleiß unterlagen, stellte man also aus einem erneuerbaren Werkstoff her.

Heute dient die Vögeles Mühle nur noch zu Vorführungszwecken. Mehl wird aus den o.g. Gründen nicht mehr produziert. Dennoch möchten wir dieses bäuerliche Kulturdenkmal der Nachwelt erhalten, zum einen um zu zeigen, was es früher bedeutete ein Stück Brot in der Hand zu halten, zum anderen, um das Verständniss für erneuerbare Energieformen, wie es die Wasserkraft ja auch ist, zu wecken.

So sah die Vögeles Mühle vor der Renovierung aus: